
Ein Menschheitsverbrecher als mahnendes Beispiel
Autor Franz X. Keilhofer warnt anhand der Biografie des NSDAP-Kreisleiters Glück vor der Rückkehr dunkler Zeiten
Von Reinhilde Schreiber
Wie kann aus einem braven Zwiesler Glasfachschüler und späteren Lehrer ein wegen Massenmordes angeklagter Menschheitsverbrecher werden? Der Autor Franz X. Keilhofer hat das Leben des Josef Glück recheriert – und dabei Parallelen zu den Anfängen des Nationalsozialismus in der heutigen Zeit ausgemacht.
In Zusammenarbeit mit dem Kulturkreis, der KEB, dem Dekanatsrat, dem kirchlichen Jugendbüro Freyung, dem Kunstraum-Team Waldkirchen und der Buchhandlung Kunze stellte Keilhofer sein Buch „Ich habe niemals ein Verbrechen begangen − Die Karriere des NSDAP-Kreisleiters Josef Glück“ nun im Bürgerhaus Waldkirchen vor. Als Mitveranstalter begrüßte Kulturkreis-Vorsitzender Claus Kappl den Autoren und die Zuhörer. Der ehemalige Geschichtslehrer betonte, wie sehr dieses Thema in die heutige Zeit passe. Ein Thema, das an Aktualität leider nicht verliere − im Gegenteil, sich erschreckend verstärke.
„Die Recherchen zu Josef Glück haben Erkenntnisse zu Tage gebracht, die bisher in unserer Heimatregion weitgehend verschollen waren und auch mir bei Beginn der Arbeit zu dem Thema nicht bekannt gewesen sind“, sagte Keilhofer eingangs. Als Fachschullehrer beruflich gescheitert, habe Josef Glück Karriere in der Partei gemacht und avancierte zum NSDAP-Kreisleiter: ab 1934 in Regen, ab 1937 auch in Grafenau. Vor seinem Auftreten im Bayerwald war Glück ab 1933 Kreisleiter-Stellvertreter im Kreis Vilshofen. Dort hatte er mit dem SA-Sonderbeauftragten beim Bezirksamt Hans Pöppl zusammen gearbeitet, dem Gründer der NSDAP-Ortsgruppe 1928 in Waldkirchen und späteren NSKK-Oberführer im Rheinland/Düsseldorf.
Josef Glück war den Angaben zufolge ein ehrgeiziger Mann. Ihm reichte es nicht, im Bayerischen Wald „nur“ Bürgermeister zu sein – von 1934 bis 1936 bekleideter er das Amt in Regen, ab 1936 in Zwiesel −, er brachte sich in Position.
Seine Stunde schlug, als ihn der Sonderbeauftragte des Reichsministers Alfred Rosenberg 1942 zu einem sogenannten „Osteinsatz“ in die Ukraine abkommandierte. Der NSDAP-Funktionär war dort nach Keilhofers Recherchen Organisator von Holocaust-Verbrechen in der Ukraine mit Massenerschießung von 25 000 Jüdinnen und Juden. In der Stadt Luzk (heute Westukraine) hat er nach Zeugenaussagen im August 1942 die Liquidation des dortigen Ghettos mit 15 000 jüdischen Bewohnern geleitet und war befehlshabend bei der Exekution tätig. Die Opfer wurden deutschen Polizeibeamten zur Erschießung überstellt.
Die Massenexekutionen erstreckten sich über fünf Tage. Bis Ende 1942 erfolgten im Raum Luzk mehrere weitere Exekutionswellen mit circa 10 000 Opfern. Josef Glück hat von der Kreisleitung in Zwiesel drei weitere Kameraden für die „Tätigkeiten dort“ angefordert.
Für seine Taten ist Glück nie belangt worden. Einzig gelang es, dass Anklage wegen Massenmord erhoben wurde, aber Glück meldete sich mit dauerhaften Attesten verhandlungsunfähig – bis er im Jahr 1978 starb.
„Aus der Aufdeckung dieser Ereignisse folgt nach meiner Überzeugung auch eine moralische Verpflichtung für unsere Region, die Verantwortung niederbayerischer NSDAP-Funktionäre für Völkermord-Verbrechen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen“, sagte Keilhofer, der auch von einem beschämenden Versagen der westdeutschen Nachkriegsjustiz sprach.
Seine Mahnung: „Was sagt uns diese Biografie? Können wir aus der Geschichte Lehre ziehen?“ Alarmsignale seien eine Sprache der Ausgrenzung, verhärtete Diskussionen, in denen Politiker als „die Deppen da oben“ betitelt werden und der Regierung damit die Legitimität abgesprochen wird. „Noch können wir darüber lachen! Doch was sollte uns die Geschichte lehren?“ Auch damals habe sich niemand einen Holocaust mit Millionen Toten vorstellen können. Verantwortlich dafür seien Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gewesen wie Josef Glück, ein Mann im Bürgermeisteramt.
Zum Abschluss des Abends bedankten sich KAB-Geschäftsführer Alois Seidl und Claus Kappl bei Franz Keilhofer mit dem kleinen Buch „Burg Weißenstein“ für den äußerst informativen Vortrag.